Die
Geschichte von Neef ist stark in der
fränkischen Epoche verwurzelt. Als
Allodium war Neuim ein freies Gut des
Königs, das König Dagobert während
seiner Regierungszeit (623 639)
der Metzer Domkirche St. Arnulf in Metz
schenkte. Kern der Schenkung war ein
Weinberg inklusive einem
Wirtschaftsgebäude am Südhang des
Petersberges. Als dieser Besitz St.
Arnulf abhandengekommen war, verfügte
875 kein Geringerer als König Ludwig der
Deutsche, dass Navis der Abtei St. Arnulf
für deren Weinkeller zurück zu
erstattet sei. Als dies nicht erfolgte,
wurde die Rückgabe 886 durch König Karl
III. nochmals angeordnet und schließlich
durch Bischof Ruotbert von Metz
vollzogen. Vico Navi juxta fluvium
Mosellam - Neef am fließenden Moselfluss
- war eine fränkische Hundertschaft /
centena (Herrschaftsbezirk). Dieser stand
der Centenarius vor. Er residierte in der
Neefer Burg, die um das Jahr 900
errichtet wurde. So tritt denn auch
Gottfried I. von Spanheim in den Neefer
Annalen als Godefridus prepositus (= an
der Spitze stehender) auf. Die Grafen von
Sponheim waren die Herren von Neef. Sie
hatten ganz Neef (Man und Bann) vom Reich
zu Lehen.
Der Hundertschaft-Vorsteher war auch
Vorsitzender des Gerichtes, das auf dem
Assersberg, eine Anhöhe am Rande des
Dorfes, unter freiem Himmel nach
fränkischem Recht Gericht
(assise/assisia) gehalten wurde.
Das Ding / Geding, wie das
Gericht genannt wurde, fand stets bei
Tage auf einem freien Platz, oft unter
einem Baum auf einer Wiese, statt. Der
meist runde Platz war abgesteckt. So gibt
es im Distrikt Assersberg seit alters her
die Flur Ringelwiese, die für das Ding
abgegrenzt war. Eine solche
Beschaffenheit der Gerichtsstätte war
üblich. Daher stammt die noch heute
angewandte Redensart zu Ding und
Ring gehen, wenn eine Entscheidung
zu fällen ist.
Der Richter hatte mit den Schöffen
gemeinsam das Urteil zu finden. Eine
juristische Ausbildung hatte der Richter
in aller Regel nicht. Gerichtsschöffe
wurde nur, wer im Gerichtsbezirk geboren
war und die eheliche Geburt seiner Eltern
und Schwiegereltern nachweisen konnte.
Darüber hinaus wurde verlangt, dass ein
Schöffe fromm, redlich und verständig
war und einen guten Leumund besaß. Die
Schöffengerichte, wie das
Ding / Geding auch genannt
wurde, bestanden in kleineren Orten aus
sieben und in Städten aus vierzehn
Schöffen. Auch die Schöffen waren
zumeist juristisch ungebildet. Sie wurden
vom Gerichtsvolk gewählt.
Nicht jeder konnte ohne weitere Klage
erheben. Der Versuch gütlicher Beilegung
war Sitte, ja Zwang. So konnten gewisse
Kleinigkeiten vorab geregelt werden.
War jedoch bei einem Vorgang Eile
geboten, weil der Kläger die Zeit bis
zum nächsten Gerichtstag nicht abwarten
konnte, musste der Kläger seine Klage
anbringen und die Ansetzung eines
außergewöhnlichen Gerichtstermins
verlangen einen gebotenen
Ding.
Der gewöhnliche Dingtag
war ungeboten, weil der
Termin als regelmäßig wiederkehrend
bekannt war. Es wurde in der Regel
mindesten einmal jährlich, zumeist
dreimal, gehalten.
Das Gerichtsverfahren war bestimmten
Vorschriften und Ritualen unterworfen.
Die Versammlung setzte sich aus allen
waffenfähigen Männern des Ortes
zusammen. Sie hatten die Pflicht zu
erscheinen. Frauen waren in aller Regel
nicht rechtsfähig und nahmen am Gericht
nicht teil. Aber auch die Rechte der
Männer waren stark begrenzt, waren doch
die Bürger in jener Zeit Untertanen oder
Leibeigene des Herren. Dieser hatte die
Ländereien zur Bearbeitung und Nutzung
gegen Naturalabgaben und Frondienste
verpachtet. Aus dieser Situation heraus
kam es immer wieder zu Uneinigkeiten. So
war es auch Sitte, beim Geding das Recht
weisen zu lassen. Dabei wurde über
Pacht- und Lehensverträge gerichtet und
auf bestehendes Recht hingewiesen.
Der Zeitpunkt des Dingtages, der nie
an Feiertagen stattfinden durfte, wurde
öffentlich bekannt gegeben. Hierzu
eignete sich die Kirche. Diese war für
Neef bis Anfang des 10. Jahrhunderts die
Capellae der hl. Katherine von
Wraower. Sie war eine dem Reich
gehörende Kirche, was die enge
Verwurzelung zum Frankenreich nochmals
unter Beweis stellt. Solche Reichskirchen
aus jener Epoche waren die ältesten
Gotteshäuser in unserer Mosellandschaft.
Die Capellae stand in der heutigen Flur
Kapell und lag nahe an der
Gerichtsstätte auf dem Assersberg. In
ihr hielt man auch die Messe vor dem
Ding. Dabei wurden auch die Schöffen
vereidigt.
Die Gerichtsverhandlungen währten von
Sonnenaufgang bis Mittag. Die Dauer wurde
nicht festgesetzt. Oft wurden drei Tage
und noch länger Gericht gehalten.
Geladen wurden die Angeschuldigten, die
gegen den Bann
(Obrigkeitsrecht) verstoßen hatten. Sie
wurden schon vor der Verhandlung durch
den Büttel (Gerichtsdiener)
dingfest gemacht
konnten also nicht entfliehen.
Am Dingtag selbst rief dann der Büttel,
einen Stab in der Hand haltend, alle auf,
die in das Jahrgeding gehörten, sowohl
die Angeklagten als auch die geladenen
Zeugen. Den Stab übergab er nun dem
Vorsitzenden. Dieser und die Schöffen
saßen auf Bänken und Stühlen, die, der
Feierlichkeit entsprechend, mit Kissen
und Decken belegt waren. Die übrigen
Mannsleute saßen auf Baumstämmen oder
hatten sich behelfsmäßige
Sitzgelegenheiten mitgebracht.
Die Tagung begann mit der Frage des
Vorsitzenden an die Schöffen, ob es Tag
und Zeit vom Jahr war, das Ding
zu halten. Wenn diese bejahten, fragte er
weiter, wie er das Ding
beginnen soll. Diese wiesen, er solle dem
Geding Bann und Frieden
tun. Nun wurden die Dingpflichtigen
aufgerufen und danach auf die Anweisung
für die Ordnung, die während der Tagung
zu halten war (Bannung), verlesen. So
durfte keiner ohne Erlaubnis ein- und
ausgehen, dem anderen ins Wort fallen,
des anderen Platz besetzen; verboten
wurden alle Scheltworte. Schließlich
begann man mit einem: Dass uns Gott
helf und das heilige Kreuz! Der
Vorsitzende hielt den Stab in der Hand
und fragte die Schöffen, ob sie dem
Herren das Recht weisen wollten;
regelmäßig erfolgte der Bescheid:
Wir wollen Euch das althergebrachte
Recht weisen.
Jeder Dinggenosse, Schöffe wie
Gemeiner, war bei hoher Strafe
verpflichtet, alles Rügbare
vorzubringen, sogar was man nur durch
Hörensagen wusste. War nichts Rügbare
vorzubringen, dann verneinte man;
andernfalls traten Schöffen beiseite,
hielten untereinander Bedacht.
Die Beratung des Schöffenkollegiums war
geheim. Kein Weistum verrät etwas über
sie. Der Amtseid verpflichtete zur
Geheimhaltung. Die Urteilsverkündung
dagegen war öffentlich und wurde vom
Richter verkündet. Symbolisch wurde bei
der Verkündigung des Urteils der
Richterstab zerbrochen und die Stücke
vor die Füße des Angeklagten geworfen.
Und wie gerichtet wurde schrieb die
Lex Salica vor. Dies war das älteste und
bekannteste westgermanische Volksrecht,
das Anfang des 6. JH unter König
Chlodwig I. entstand und die
Rechtsgrundsätze der Franken (der
Salier) erfasste.
Auszug aus dieser Gerichtsordnung:
Wer eine fremde Magd stiehlt, wird
mit 30 Schillingen gebüßt.
Wer einen Bienenkorb unter Dach
gestohlen hat, der zahle 45 Schillinge.
Wer einen Weinbergarbeiter
gestohlen oder ermordet hat, werde mit 30
Schillingen gebüßt.
Hat sich ein Freigeborener mit der
Magd eines Herrn vergangen, so zahle er
15 Schillinge.
Wenn er sich mit einer Magd des
Königs vergangen hat, zahle er 30
Schillinge.
Hat sich ein Unfreier mit der Magd
eines Herrn vergangen und ist sie
infolgedessen gestorben, so hat er dem
geschädigten Herren die Magd zu ersetzen
und 6 Schillinge zu zahlen, oder er werde
entmannt.
Wer jemanden einen Dreckskerl
schimpft, werde mit 3 Schillingen
gebüßt.
Will jemand in ein fremdes Dorf
zuziehen, so darf er dies nicht, wenn nur
einer dagegen Einspruch erhebt.
Ist jemand zugereist und es hat
niemand innerhalb 12 Monaten Einspruch
erhoben, so darf er endgültig bleiben.
Am Ende der Gerichtstagung wurde durch
den Gerichtsdiener dreimal verkündet,
das Geding sei nun gehalten. Richter und
Schöffen erhielten einen Anteil der
Bußgelder. Gewohnheitsgemäß erhielten
sie auch in der Regel zusätzlich einen
Sester (5,25 Liter) Wein, mit dem sie
anschließend in gemeinsamer Runde die
Veranstaltung ausklingen ließen.
Es begann nun die Arbeit für den
Nachrichter. Diesem kam mit seinen
Knechten die Arbeit zu, die einfachen
Strafen zu vollziehen. Dazu gehörten z.
B. die Einkerkerung, die Fesselung an den
Pranger, die Prügelstrafe zu vollziehen,
zu brandmarken, Dieben und Meineidigen
eine Hand abzuhacken, Gotteslästerern
die Zunge abzuschneiden, zu entmannen und
andere Strafmaßnahmen mehr zu
vollziehen.
Wurde die Todesstrafe ausgesprochen,
dann hatte dies der Pfalzgraf als
Vertreter des Königs zu bestätigen. Vor
der Festsetzung des Endlichen
Rechtstages (Hinrichtungstag)
hatten die Delinquenten drei Tage Zeit,
damit sie ihre Sünden beichten und sich
auf ihren Tod vorbereiten konnte. Auf dem
Galgenkopf, im oberen Neefer
Bachtal, verrichtete nun der Henker sein
Handwerk. Der Richter hatte auf die
Vollstreckung der Urteile zu achten.
Als Kaiser Ludwig am 29. Juli 1330 dem
Neefer Grafen Gerhard von Sponheim das
Hohe Gericht verlieh, konnte das
Todesurteil auch ohne die Einwilligung
des Pfalzgrafen vollstreckt werden.
Text zu den Bildern:
1. Ansicht von Neef mit dem Assersberg
2. Gerichtstätte
3. Festnahme eines Delinquenten durch den
Büttel
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erschienen im |
Kreisjahrbuch
Cochem-Zell 2013 |
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