Ritter
Philipp von Hausten war verkrüppelt von
einem Kreuzzug in seine Eifelburg in
Ulmen zurückgekehrt. Kurfürst Richard
von Greiffenklau erfuhr von dem Schicksal
des tapferen Ritters und veranstaltete
ihm zu Ehren eine Jagd, auf der Philipp
nebst seiner Frau Irmgard und Tochter
Mechthild nur in einer Sänfte sitzend
teilnehmen konnten. Als die hellen
Jagdhörner bereits am frühen Abend zum
Halali blasen, findet die fröhliche
Veranstaltung mit einer ungewöhnlich
reichen Strecke ihr Ende, und ein
erlesener Imbiss im Freien krönte das
fürstliche Waidwerk.
Die Augen von Mechthild mustern flink
die fröhliche Jagdrunde, aber den sie
sucht, den schlanken Junker Arnulf von
Hohennürnburg, mit dem sie heimlich
versprochen ist, erspäht sie nicht. Sie
bemüht sich ruhig und gelassen zu
bleiben in der Hoffnung, der Geliebte sei
im Jagdeifer von der Gesellschaft
abgekommen und werde bald zu ihr
zurückfinden. Als es aber immer später
wird und die Feststimmung ihren
Höhepunkt erklimmt, vertraut sie sich
Junker Etzo von Demerath an, der ihr seit
Jahren in seiner ungestümen Art den Hof
macht und sich unbeirrt aller Misserfolge
weiter um ihre Gunst müht. Der tröstet
das Edelfräulein mit beschwichtigenden
Worten und bittet es eindringlich, heute
abend wegen des hohen kurfürstlichen
Gastes kein Aufhebens zu machen
morgen sei der Vermisste gewiss gesund
und frisch wieder da!
Als jedoch am nächsten und
übernächsten Tag Junker Arnulf sich
nicht meldet und ein heimlich nach der
Nürburg gesandter Bote berichtet, der
junge Graf sei noch nicht heimgekehrt, da
ist es mit Mechthilds Ruhe
endgültig vorbei und sie offenbart sich
in banger Herzensnot ihren Eltern. Zwei
volle Tage fahnden nun Jäger, Knechte
und Bauern im weiten Jagdgebiet erfolglos
nach dem Verschollenen. Da entdeckt sie
das treue und alte Burghündlein Fulla,
das ihnen mit heraushängender Zunge
hinterherhetzt. Man will das völlig
erschöpfte Tier zurückjagen, aber
Mechthild entscheidet sich für dessen
Verbleib. Die Suche ging weiter.
Mechthild reitet mit dem Förster ins Tal
hinunter bis zur Martentaler Rausch.
In der Wallfahrtskirche spricht das
schier untröstlich gewordene Mädchen
ein inbrünstiges Gebet vor dem
verwetterten Holzbild der Schmerzhaften
Mutter Gottes. Da vernimmt sie lautes
Hundegebell. Das Geheul des Tieres klingt
so schauerlich in ihren Ohren, dass sie
in jähen Erschrecken nach dem Herzen
greift. Sie eilt einen Berghang hoch und
gewahrt den Hund vor einem zerfallenen
Stolleneingang im schroffen
Schieferfelsen. Das erregte Tier zerrt
und zaust an einem morschen Reiserhaufen
der die Höhlenöffnung sperrt. Mit ein
paar Griffen entfernt der Förster das
modrige Gestrüpp, kriecht in den Stollen
hinein und stößt dann einen
markerschütternden Schrei aus. Er ist
auf die Leiche des Verschollenen
gestoßen. Behutsam schiebt er den Toten
ans Tageslicht. Da schüttelt auch das
Mädchen ein gequältes Schluchzen. Es
sinkt wie vom Blitz getroffen neben dem
entseelten Bräutigam in die Knie,
streichelt des Toten blutverkrustetes
Gesicht und Jägerwams und weint dann so
herzzerreißend, dass niemand außer dem
Hund Fulla das Nahen Junker Etzos mit
einem Burgknecht gewahrt. Wie
wildgeworden stürzt sich augenblicklich
das Tier mit gesträubtem Fell dem
erbleichenden Junker entgegen, springt
zähnefletschend an seinem Rock hoch und
will sich durch nichts besänftigen
lassen. Erst als Etzo in seiner Not die
blanke Waffe zieht und Mechthild den sich
wie toll gebärenden Hund an die
Lederleine kettet, fügt er sich jaulend
mit verhaltenem Groll und zitternder
Rute. Knecht und Förster zimmern eine
Notbahre, und dann bewegt sich der
Trauerzug gegen Ulmen, auf dem das
erregte Tier immer wieder Junker Etzo
rasend anzuspringen versucht.
Anderntags lässt der gramgebeugte
Hohennürnberger seinen gemeuchelten Sohn
mit dem Planwagen abholen. An dem
frischen Grabe trauern neben den
schmerzzerrissenen Eltern und der
untröstlichen Braut Abgesandte der
kurtrierischen Ritterschaft von nah und
fern.
Nun erscheint Graf Ulrich von
Winneburg zu Besuch in Ulmen. Er hat als
Hochgerichtsherr von dem seltsamen
Gebaren des Burghundes beim Auffinden der
Leiche gehört und lässt sich nun von
dem Edelfräulein nochmals genauen
Bericht erstatten. Danach gebietet er die
Hochgerichtsschöffen von Alflen, Junker
Etzo, seinen Jägermeister, den
Burgknecht und Mechthild mit dem Hund
Fulla zum grausigen Tatort.
Das gebotene Gericht will ein
Gottesurteil wagen. Junker Etzo soll im
Zweikampf mit dem Hunde seine Unschuld
beweisen. Dem Junker wird als einzige
Waffe ein Jagdspieß gereicht, während
der Hund nichts als sein natürliches
Gebiss und seine tierische Gewandtheit
als Angriffs- und Verteidigungsmittel
besitzt. Kaum ward Fulla losgelassen,
hebt der verbissene Kampf und das
lautlose Ringen auf Leben und Tod
zwischen Mensch und Tier an. Niemand
hätte dem bejahrten Hündlein solche
Wendigkeit und Angriffskraft zugetraut.
Geschickt weicht es den Stößen des
vorgehaltenen scharfen Spießes aus,
umkreist den sichtlich unsicherer
werdenden Junker wie ein Wirbelwind,
überspringt den Speerschaft und versucht
dem verzweifelt sich wehrenden Gegner an
die Kehle zu fahren. Da erhält das Tier
einen heftigen Stoss in die Flanke. Es
jault ingrimmig auf, leckt einen Atemzug
winselnd die Seitenwunde, schießt dann
in einem gewaltigen Satz von der Seite
hoch, wirft den starken Mann mit
wuchtigem Anprall zu Boden und gräbt ihm
blitzschnell die scharfen Zähne in die
Gurgel. Man reißt das blutverschmierte
Tier von dem Gestürzten fort, der
völlig erschüttert gesteht und bekennt,
er sei der Mörder. Schon lange habe er
den Mordplan gefasst, weil er glaubte,
sich nur so den versperrten Weg zum
Herzen des geliebten Burgfräuleins frei
zu räumen.
Auf dieses grässliche
Schuldbekenntnis hin herrscht eine Weile
eisiges Schweigen man hörte nur
das Stöhnen des Mörders und das Miefern
des Hundes. Schließlich blieb Graf
Ulrich von Winneburg nichts anderes
übrig, als das Todesurteil über den
Mörder auszusprechen. Kurfürst Richard
bestätigte das Urteil. Er war sehr
bewegt über den Vorgang, weil doch der
Meuchelmord sozusagen unter seinen
eigenen Augen während der Jagd geschah.
Er gab noch zum Vollzug des Urteiles die
Auflage, dass der Missetäter drei Tage
und neun Stunden am Galgen baumeln solle
zu Nutz und Schrecken aller
Christenmenschen. So hielt Junker Etzo
statt mit dem Burggrafenfräulein mit des
Seilers Tochter Hochzeit.
Nach Jahresfrist nahm Mechthild den
Schleier im adeligen
Augustinerinnen-Kloster Stuben. Sie starb
dort hochbetagt und geehrt als Meisterin.
Mechthilds Vater verstarb im Jahre
1556. Er hatte noch zu Lebenszeiten
angeordnet, dass der wackere Schlosshund
Fulla zu Füßen seines Grabsteines
verewigt werde. Auch ein andermal hatte
sich nämlich Fulla ausgezeichnet. Und
zwar soll dieser treue Hund seinen Herrn
ausfindig gemacht haben, als er in
Gefangenschaft mit abgeschlagenen Händen
und Füßen wie ein Zugpferd durch den
Acker ziehen musste. Philipp von Hausten
konnte nunmehr endlich von seinen Ulmener
Burgmannen aus der Knechtschaft befreit
werden.
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