Wallfahrten
nach den Orten des heiligen Landes waren
von einzelnen Christen seit den frühen
Zeiten gemacht worden. Und als die Kirche
anfing, solche Wallfahrten als ein
verdienstliches Werk anzusehen und sie
zur Büßung schwerer Sünden den
Christen aufzuerlegen, ging die Zahl in
die Tausende. Schon seit 650 stand
Palästina unter mohamedanischer
Herrschaft. Doch die Kalifen sahen die
christlichen Pilgerzüge recht gerne in
ihr Land einströmen, da sie Geld ins
Land brachten. Das änderte sich, als
1070 türkische Seldschuken, ein wildes,
glaubensfanatisches Volk, Jerusalem
eroberten. Seitdem häuften sich die
Nachrichten von Misshandlungen der Pilger
und Beschimpfungen der christlichen
Heiligtümer.
Der Gedanke eines Kreuzzuges zur
Rettung der Stätten Jesu war geboren und
wurde schließlich auch in die Tat
umgesetzt. Der Aufruf von Papst Urban II.
am 27.11.1095 auf der Synode in Clermont
zur Befreiung des hl. Grabes fand ein
begeistertes Echo und löste unter dem
Kampfruf "Deus lo vult" (Gott
will es) eine Massenbewegung gegen
"diese Heiden" aus. "Sie
haben die Länder der Christen mehr und
mehr besetzt und diese siebenfältig
besiegt, wobei viele getötet oder
gefangengenommen wurden, Kirchen
zerstört worden sind und das Reich
Gottes verwüstet wurde. Wenn ihr sie
weiter gewähren lasst, werden sie noch
viel weiter die Oberhand über die
Getreuen Gottes gewinnen." - so eine
Aufzeichnung der Papst-Rede von Fulcher
aus Chartres. Ein anderer Chronist, der
Mönch Robert, lässt den Papst
wesentlich härter an die Sache
herangehen. Er unterstellt in seiner
Wiedergabe der Rede den Muslims die
allerscheußlichsten Greueltaten, die das
Blut der Gläubigen in Wallung bringen
mußten. Als auch noch allen Teilnehmern
am Kreuzzug die sofortige Vergebung der
Sünden versprochen wurde, war die
Begeisterung in der Masse des Volkes
geradezu grenzenlos geworden, da man das
Ende der Welt erwartete. Das Letzte
Gericht stand also unmittelbar bevor. War
zuvor eine Wallfahrt nach Jerusalem, die
das Sündenkonto entlastete, nur den
Reichen und Privilegierten vergönnt, so
stand plötzlich diese Möglichkeit jedem
offen. Was gab es auch noch zu verlieren?
Das irdische Jammertal erschien
plötzlich überwindbar.
Papst Innozenz III. rief nun im August
1198 zum Vierten Kreuzzug auf. Schnell
stellten sich waffengeübte Adelsmannen
und erprobte Krieger zur Verfügung.
Ihnen schloss sich eine Masse
undiziplinierten Volkes, wie Gaukler,
Kriminelle, ausgebrochene Häftlinge,
Deserteure, Schinder, Henker,
beutegierige Abenteurer und
"luderliche Frauenzimmer" an.
So bestand die Masse des Kreuzzuges mehr
aus einer buntgemischte Horde als einem
disziplinierten Heer.
Nach mancherlei Vorbereitungen begann
der Aufbruch 1202 in Venedig. Unter der
Führung des Grafen Balduin von Flandern
wurden dort Transportschiffe für 4.500
Pferde weitere Schiffe für die
Versorgung von 4.500 Rittern, 9.000
Knappen und 20.000 Fusssoldaten
angemietet. Im Vertrag war der Proviant
für die gesamte Mannschaft und das
Futter für die Pferde für 9 Monate
eingeschlossen. Die Kosten betrugen
85.000 Mark Silber.
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Kavalkade
von Kreuzrittern |
Kreuzfahrerlied
In Gottes Namen fahren
wir,
seiner Gnaden begehren wir.
Das helf uns die Gotteskraft
und das heilige Grab,
da Gott selber inne lag!
Kyrieleison!
Kyrieleis,
Christeleis!
Das helf uns der heil'ge Geist
und die wahre Gottesstimm',
dass wir fröhlich fahrn von hinn(en).
Kyrieleison!
Aus "Uhlands
Volksliedern"
"Aber wir werden noch mehr tun.
Wir werden aus Liebe zu Gott fünfzig
Kriegsschiffe stellen, ohne dass es die
Barone etwas kostet. Die Bedingung ist,
dass während unseres Bündnisses das
eroberte Land und das erbeutete Geld
geteilt wird" - so das Angebot der
Venezianer, auf das man einging. Durch
diese Vorgabe war das Beutemachen von
vornherein zur Musssache geworden, was
den weiteren Verlauf des Kreuzzuges
entsprechend auch prägte.
Der Markgraf Bonifaz von Montferrat
und Balduin führten das Heer an. Auf der
Fahrt wurde zuerst einmal die dalmatische
Hafenstadt Zara genommen. Mit dieser
befand sich Venedig im Streit. Ungeachtet
dessen, dass der Papst einen Angriff
verboten hatte, da doch die Bewohner
Christen waren, wurde die Stadt mit Sturm
genommen. 200.000 Mark Silber wurden vom
Stadthalter erpresst.
Das Heer blieb über Winter in Zara.
Immer mehr stellte sich heraus, dass
Jerusalem nicht mehr unbedingt das Ziel
der Anführer war. Darüber stritten
diese und gerieten in völlige
Uneinigkeit. Einige wollten in Ägypten
einfallen. Man wusste, dass Kairo eine
reiche Handelsstadt und schließlich auch
islamisch war. Anderen, darunter auch die
Deutschen Strategen, wollten das
byzantinische Konstantinopel erobern.
Diese griechische Stadt war Mittelpunkt
des Handels zwischen dem Orient und dem
Okzident. Auch war bekannt, dass Byzanz
schwach regiert wurde und der politische
Zustand desolat war. Und zudem sonderte
sich die griechische Kirche immer mehr
von der römischen ab, was dem Papst
stark missfiel. Er hätte sie lieber
wieder dem römischen Obdach unterstellt
gesehen.
Als der Sinn und Zweck des Zuges
plötzlich nicht mehr der Befreiung des
hl. Landes galt, kehrten viele
Kreuzfahrer in die Heimat zurück. Um die
personelle Lücke zu schließen, musste
Zara 10.000 Mann zum weiteren Zug zur
Verfügung stellen.
Anfang Mai 1203 ankerte die Flotte vor
Korfu. Man befand sich immer noch im
heftigsten Streit. Noch immer war man
sich nicht einig, wohin die Fahrt gehen
soll. Schließlich einigte man sich auf
Konstantinopel, das man am 5. Juli
erreichte.
"Alle, die Konstantinopel noch
nie gesehen hatten, starrten die Stadt
an, weil sie nicht glauben konnten, dass
es auf der Welt eine so reiche Stadt
geben könne. Sie sahen die vielen Türme
und hohen Mauern, welche die Stadt
umgaben, die reichen Paläste und die
hohen Kirchen. Diese Stadt war größer
als alle anderen. Und wisst, dass keiner
so beherzt war, daß er nicht am ganzen
Leib gezittert hätte".
Die Kreuzfahrer besetzten ohne große
Mühe die Küste und begannen die
Belagerung. "Unsere Truppen waren
froh und lobten Gott, den Herrn. Die
Bewohner der Stadt hingegen waren
betrübt. Die Kreuzfahrer übten nicht
nur, überall nach Beute gierig
forschend, Gewaltthätigkeiten jeder Art,
erzwangen nicht nur durch Schläge und
andere Mißhandlungen die Nachweisung und
Auslieferung der verborgenen Schätze,
beraubten nicht nur ohne Schonung die
Überwundenen aller ihrer Habe, selbst
der Kleidung; sondern verjagten auch aus
den Häusern, in welchen sie ihre
Herberge nahmen, die ausgeplünderten
griechischen Eigenthümer oder Bewohner;
jeder Widerspruch oder Widerstand, ja
selbst jede Bitte um Schonung brachte die
Plünderer zur furchtbarsten Wuth und
hatte noch grausamere Misshandlungen zu
Folge; und die Grafen und Barone des
Pilgerheeres gewährten den Griechen,
welche des Obdachs und ihres ganzen
Besitzes beraubt waren, als eine Gnade
nur die Erlaubnis zur Auswanderung. Die
angesehenen Einwohner benutzten jedoch
gern diese Erlaubnis, entfernten sich aus
der Stadt, welche nichts als Gräuel der
Verwüstung und Schrecknisse der
Plünderung darbot, und ganze Scharen von
Auswanderern, welche kaum die nöthige
Kleidung, ihre Blöße zu bedecken, davon
trugen, zogen aus dem goldenen Thore und
den anderen Ausgängen der Stadt. Nur das
geringe Volk blieb zurück, welches
entweder nichts zu verlieren hatte oder
auf die eine oder die andere Weise zu
gewinnen hoffte. Ein freches Weib bestieg
den Sitz des Patriarchen, erhob einen
schreyenden Gesang und begann hierauf
einen lüsternen und unanständigen Tanz.
Andere Pilger führten in dem Heiligthume
der Kirche muthwillege und unzüchtige
Reden. Da die Kreuzfahrer manche
erbeutete Kostbarkeit, aus Unkunde oder
Leichtsinn, oder um den gewonnenen Raub
der allgemeinen Theilung zu entziehen,
für geringen Preis verschleuderten, so
war dadurch dem Trödelverkehr und der
gemeinen und niedrigen Gewinnsucht ein
vortheilhafter Markt geöffnet. In der
Sophienkirche wurde nicht nur der
kostbare und wegen kunstvoller
Zusammensetzung allgemein bewunderte
Opfertisch zertrümmert, sondern auch von
dem prächtigen Redestuhl das Silber,
womit derselbe geschmückt war,
abgerissen, und der auf solche Weise
gewonnene Raub getheilt. Maultiere und
Rosse wurden in diese herrliche Kirche
geführt, um die geraubten heiligen
Geräthe wegzuschleppen. Während die
meisten Krieger in den Kirchen nach Gold,
Silber und Edelsteinen forschten, waren
fromme Pilger, und besonders die
Geistlichen, welche das Pilgerheer
begleiteten, damit beschäftigt, heilige
Reliquien, deren eine große Zahl in den
Kirchen von Constantinopel aufbewahrt
wurden, sich anzueignen, um damit, wenn
sie in ihre Heimath zurückkämen, ihre
Kirchen zu schmücken und eine große
Menge von Ueberbleibseln der Heiligen,
zum Theile mit ihren kostbaren und
künstlich gearbeiteten Behältnissen,
wurden von den damaligen Pilgern aus
Constantinopel in verschiedene Kirchen
des Abendlandes gebracht." So weit
nur auszugsweise die Widergabe von Wilken
über die noch nicht einmal
grässlichsten Greueltaten der
Kreuzfahrer.
Der Kreuzzug wurde aufgegeben. Mit
Schätzen beladen, zu denen auch
bedeutende Reliquien gehörten, reisten
die Überlebenden in die Heimat zurück.
In dem christlichen Kriegsheer
waren viele edle Ritter aus dem
Trierischen Erzstift, die hernach diesen
heiligen Raub mit sich nacher Haus
gebracht und damit die erzstiftlichen
Trierischen Kirchen und Gotteshäuser
reichlich beschenket,wie dan Henricus von
Ulmen.
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Abt
Godefrid von Springiersbach
erhält für das Kloster Stuben
die Reliquien aus der Hand von
Ritter Heinrich aus Ulmen |
Der Ritter kniet vorm
greisen Abt
Und spricht: "Ehrwürdger Mann!
O wollet diese Kreuze hier
In Gnaden nehmen an.
Weit aus dem fernen Byzanz wohl,
Hol ich dies Kleinod her,
Als in der falschen Griechen-Stadt
drang ein das Kreuzesheer."
Der Abt nimmt tiefbewegt das Kreuz
Und sagt: "Vielen Dank mein Sohn.
Der Gott im Himmel segne Dich
Und gebe Dir reichlich Lohn!"
Und jener Ritter Heinrich bedachte das
Kloster Stuben an der Mosel, wo seine
Schwester Meisterin war, mit dem
größten Kreuzpartikel des Abendlandes.
Er ist in einem kostbaren Behältnis, das
sich Staurothek nennt, eingefasst.
Das Kreuz allein macht jedoch noch
nicht den ganzen Reichthum des
Sanktuariums aus, sondern es hangen
rechts und links von den Seiten des
Kreuzes silberne Kapseln, hier fünf und
dort fünf; eine jede hat als Deke ein
künstlich gearbeitete Blättchen, in
welches mit griechischen Buschstaben die
Namen der hh. Reliquien eingegraben sind,
wie auch Namen und Bildnisse von heiligen
Engeln. In den fünf Kapseln links des
Kreuzes befanden sich Reliquien von der
Wiege Christi, von der Dornenkrone, von
dem Schweißtuche Christi, von dem
Schweißtuch der seligen Jungfrau und von
ihrem Gürtel; auf der rechten Seite aber
in den fünf Kapseln von der Leinwand, in
die Christus gehüllt, von dem
Purpurmantel, von dem Schwamme bei der
Kreuzigung, von dem Gürtel der
Gottesgebärerin, Haare des h. Johannes
des Täufers. Diese heiligen Reliquien
haben sehr bald zahlreiche Wallfahrer von
nahe und ferne angezogen, die niemals
unterlassen haben, der Klosterkirche ihre
Opfergaben zu bringen. Das Kloster
Stuben erhielt das Ablassprivileg und
wurde Wallfahrtsort. Zu den Pilgern
gehörten auch Kaiser Maximilian und der
große Kurfürst Balduin. Und der
Chronist Caesarius von Heisterbach weiss
über gar erstaunliche Wunder zu
berichten, die um die Reliquien
geschahen.
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und
seine Auswirkung auf das Kloster
Stuben an der Mosel |
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erschienen
in: |
Rhein-Hunsrück-Kalender,
Heimatjahrbuch des
Rhein-Hunsrück-Kreises, 2001 |
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Staurothek
-Deckelansicht- |
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Staurothek
-Innenansicht- |
früheres
Reliquiar des Klosters Stuben -
heute Mittelpunkt des Limburger
Domschatzes |
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