In
Heidelberg regierte von 1142 bis 1155
Hermann III. als Pfalzgraf bey Rhein. Er
war von wilder Art und kannte kein Maß
im Waffenspiel. Als Erzbischof Arnold von
Mainz sogar den Bannfluch über ihn
aussprach, erhob selbst sein Schwager,
König Konrad III., keinen Widerspruch.
Von den Untaten blieb auch die
Moselregion nicht verschont.
Burg Stahleck
Hermann entstammte dem Geschlecht
derer von Stahleck, das auf der
gleichnamigen Burg in Bacharach am Rhein
den Sitz hatte. So nannte sich jener
Pfalzgraf auch Graf von Stahleck.
In der hiesigen Gegend erscheint
Pfalzgraf Hermann erstmals in einer
Urkunde vom 1. August 1143, als er das
Kloster Springiersbach in Schutz nahm.
Jenes Mönchkloster in der Eifel stand
dem Nonnenkloster Stuben an der Mosel,
über das die Grafen von Sponheim das
Gericht ausübten, vor. Sie residierten
als Schultheiß im nahegelegenen Ort
Neef. Und mit Gottfried von Sponheim,
erwähnt in einer Stubener Urkunde von
1140 als Godefridus prepositur (an der
Spitze stehender), trat Hermann bei
seinen Raubzügen öfters vereint auf. So
hatte also der Pfalzgraf einen recht
deutlichen Bezug zum Kloster Stuben, was
sich in der nachfolgenden Geschichte auch
noch zeigen wird.
Auch der Burg Treis an der Mosel
bemächtigte sich Hermann, die zuvor den
Grafen von Treis gehörte. Als der letzte
Vertreter dieses Stammes Bertolf comes de
Trihis, verstarb, sah sich die einzige
Tochter Elsa von Treis als Alleinerbin.
Es trug sich folgendes zu:
In einem Moselort ward das
Edelfräulein Elsa von Treis als einziges
Kind von ihren Eltern wohl behütet. Sie
war hübsch, reich und vornehm. Viele
Ritter der Umgebung warben um ihre Gunst.
Doch alle diese Bewerbungen lehnte sie
ab, denn sie hatte sich dem tapferen
Ritter Gottlieb von Schwanau aus dem
fernen Klevener Land versprochen. Dieser
wollte den Bund fürs Leben in der
Kapelle seiner neuerbauten Burg
schließen.
Als Elsa Waise war, wurde ausgerechnet
dem Barbaren Heinrich dies edle und zarte
Wesen als Oheim anvertraut. Da Elsa ein
großes Vermögen zustand, brachte sie
der Habgierige kurzerhand in das Kloster
Stuben und bemächtigte sich der
Erbschaft. Aller Widerstand von Gottlieb
gegen die Einweisung war umsonst. So
versprach er seiner Geliebten die
Befreiung aus den Klostermauern. Sie
sollte noch vor Winteranfang erfolgen.
In der stürmischen Herbstnacht, es
war vor dem Feste des heiligen Erzengel
Michael, starrte im Kloster zu Stuben ein
zartes Fräulein aus ihrem Zellenfenster
hinaus in die Finsternis. Der Wind heulte
um die starken Klostermauern, und der
Wald orgelte ein schauriges Lied. Nur
wenn die Wolken einmal aufrissen, waren
kurz Mond und Sterne zu sehen. Längst
schwiegen die süßen Stimmen der
Stubener Nachtigallen. Nur der klägliche
Ruf einer Eule war vereinzelt zu hören,
als wollte sie der tristen Nacht auf ihre
Art zuträglich sein. Die Gedanken des
Edelfräuleins Elsa von Treis weilten in
der Ferne bei ihrem Bräutigam, dem
Ritter Gottlieb von Schwanau.
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Ähnlich
so, wie auf diesem Holzschnitt
dargestellt, mag die traurige
Elsa im Auftrage ihres Oheims in
das Kloster Stuben eingeführt
worden sein. |
Allzu lange wartete nun Elsa schon
ungeduldig Nacht für Nacht am einsamen
Zellenfenster. Ob er noch an sein
Versprechen dachte? Hatte sie der
Geliebte etwa vergessen und sein Herz
einer anderen geschenkt?
Während so bange Zweifel an ihrer
Seele nagten und sie nach draußen in die
Dunkelheit brütete, schwamm Gottlieb mit
starken Armen durch die sturmgepeitschten
Wogen der sonst so sanft dahinfließenden
Mosel. Endlich erreichte er das Ufer und
eilte mit raschen Schritten dem Kloster
zu, das mächtig und fast gespensterhaft
in der Dunkelheit vor ihm aufragte. Da!
Ein einziges Fenster war erleuchtet! Ein
Öllämpchen verbreitete ein spärliches
Licht. Das konnte nur Elsas Zelle sein!
Entschlossen versuchte er die Mauer
hinaufzuklettern. Dabei riss er sich die
Finger blutig. Wollten gar die
Klostermauer sein Eindringen verhindern?
Verzweifelt blickte er zum Himmel empor.
Hatte auch Gott Vater da oben sich gegen
ihre Liebe verschworen? Wie sollte er
sich nun der Braut bemerkbar machen? Eine
Weile ruhte er nachdenklich und traurig
aus. Dann sandte er ein Stoßgebet zu
Sankt Michael, nahm dann eine Handvoll
Erde und warf sie gegen das erleuchtete
Zellenfenster. Elsa erschrak! Dann
öffnete sie das Fenster und spähte ins
stürmische Dunkel. Elsa
Elsa klang es verhalten durch das
Brausen des Windes. Da jubelte ihr Herz,
denn sie hatte die Stimme des Geliebten
erkannt. Rasch eilte sie an das
Wandschränkchen und entnahm ihm ein
langes Seil, das sie schon vorsorglich
für die Flucht bereit gelegt hatte. Sie
befestigte es am Fensterkreuz und glitt
schon fast elegant hinab in die Arme des
Geliebten. Wenige Minuten später schlich
das Paar überglücklich durch den
Klostergarten geradewegs zum Moselufer.
Doch oh Schrecken! Da rief gerade
jetzt die Klosterglocke die Nonnen zur
Nachtandacht. Ihre Flucht musste
eigentlich nun entdeckt werden?! Die
Klosterkirche füllte sich mit den
Schwestern. Aber Elsas Stuhl blieb
leer. Die Meisterin eilte nach oben und
fand die Zelle verwaist. Das offene
Fenster und das Seil waren Beweis genug
für die Flucht der Vermissten. Die
Meisterin ließ die Sturmglocke läuten,
die schauerlich durch das Tal erklang.
Elsa und Gottlieb hörten schon den
Lärm der suchenden Knechte. Da riss die
Wolkendecke auf und Elsa entdeckte unweit
eine geeignete Stelle, wo Gottlieb sie in
die Arme nahm und mit ihr in den Fluss
eintauchte. Er umklammerte sie mit dem
einen Arm, während er mit dem anderen
kräftig gegen den Strom schwamm.
Gottfried wusste nicht, wie lange er die
kostbare Last trug und mit den Wellen
gerungen hatte, als er plötzlich am
anderen Ufer oberhalb des Dorfes Bremm
stand. Logischerweise suchten jedoch die
Verfolger die Liebenden unterhalb des
Ortes, wohin sie die Strömung hätte
treiben müssen. So wurden die beiden
Liebenden nicht gefunden und Elsa war
befreit.
Als der Morgen dämmerte, hob Gottlieb
die Braut aufs Roß und eilte mit
ihr in einem scharfem Ritt seiner Burg
zu. In seinem Herzen lebte die
Gewissheit, dass Gott und Sankt Michael
ihre Treue gesegnet habe. Denn der
Herrgott will nicht, dass ein Mensch
gegen seinen Willen in ein Kloster
gezwungen wird.
Zum Dank an die Errettung baute Ritter
Gottlieb später an der Stelle bei Bremm,
wo er damals mit seiner Geliebten das
rettende Ufer betreten hatte, dem
Erzengel Michael eine Kapelle.
Kapelle
oberhalb des Ortes Bremm. Sie ist
dem hl. Erzengel Michael geweiht
und wurde aus Dankbarkeit für
die wunderbare Rettung von
Gottlieb von Schwanau gebaut. |
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Als Kaiser Friedrich Barbarossa von
einer langen Reise aus Italien
zurückkehrte und von den Grausamkeiten
seines Pfalzgrafen erfuhr, hielt er 1155
zu Worms in ansehnlicher
Fürstenversammlung Gericht über
Hermann. Der Kaiser sprach ein hartes
Urteil aus: Nach einem alten fränkischen
Gesetz musste Hermann mitten im Winter
bei grimmiger Kälte eine deutsche Meile
weit von einer Grafschaft zur anderen
barfuß einen Hund am Halse tragen.
Dieses Hundtragen kam als äußerst
schimpfliche Strafe zur Anwendung.
Hermann überlebte diese Entehrung nicht
lange. Er resignierte als Pfalzgraf und
trat voller Reue in ein
Cisterzienserkloster ein, in das er
reiche Schenkungen einbrachte. Am 20.
September 1156 verstarb er. Seine Ehe mit
Gertrud war kinderlos. Gertrud nahm nach
dem Tode ihres Mannes den Schleier im
Kloster Erbrach, wo dann Hermann seine
letzte Ruhestätte fand.
Die Burg Treis erscheint in den
Annalen fortan als Besitz des Erzbistums
Trier und Gräfin Elsa nahm in der Burg
Schwanau an der Seite ihres geliebten
Mannes die Pflichten einer christlichen
und treuen Burgherrin war.
Burg Schwanau
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