Frau
Irmgard, die Meisterin auf der Insel des
hl. Nikolaus, erzählte mir im
verflossenen Jahre von der
außerordentlichen Liebe einer mir
wohlbekannten Nonne zum Vorläufer des
Herren. Sie verehrte ihn mehr als alle
übrigen Heiligen, und es genügte nicht,
fortwährend über ihn zu meditieren, ihn
durch Gebete und Andachten zu ehren und
ihren Mitschwestern seine Vorzüge zu
preisen sie hat auch, um sein
Andenken zu verewigen, über seine
Verkündigung, seine Geburt und den Jubel
der Eltern Verse gemacht. Sie war
nämlich eine Gelehrte und suchte darum
in Versen darzustellen, was sie über
sein heiliges Leben in Büchern gefunden
hatte. Alle Weltleute bat sie dringend,
sie möchten ihre Söhne Johannes oder
Zacharias, ihre Töchter aber Elisabeth
nennen. Als sie auf dem Sterbebett lag,
kam der Mönch Johannes von Himmerode,
sie zu besuchen, und da er ihre Liebe zum
hl. Johannes kannte, frug er sie:
Tante, wenn du gestorben bist,
welche Messe soll ich für dich lesen,
die für die Abgestorbenen oder die des
hl. Johannes? Die des
hl. Johannes! erwiderte sie, ohne
einen Augenblick zu besinnen. Als es mit
ihr zu Ende ging, empfand sie Mitleid mit
der sie bedienenden Schwester und sagte
zu ihr: Geh hinauf und ruhe eine
Weile! Die Schwester tat so; als
sie aber eben in einen leichten Schlummer
gesunken war, vernahm sie eine Stimme,
welche rief: Was liegst du hier?
Der hl. Johannes ist unten bei der
Schwester Hildegunde. So hieß
nämlich die Sterbende. Auf diesen Ruf
erwachte die Schwester, nahm sich nicht
Zeit, ihre Kleider anzulegen, sonder
eilte im Hemde hinunter. Schwester
Hildegunde aber hatte bereits ihren Geist
ausgehaucht. Um ihre Leiche war ein so
überaus süßer Wohlgeruch, dass die
Schwester nicht zweifelte, der hl.
Johannes sei da gewesen, um die Seele
seiner Verehrerin den englischen Chören
zuzufügen.
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