Einsiedler,
auch Eremiten genannt, waren fromme
Männer, die ganz einsam bevorzugt in
Wäldern wohnten. Von der Bevölkerung
wurden sie deshalb auch
Waldmenschen genannt. Sie
galten als Sonderlinge. In der
Absonderung suchten sie in Askese, in
religiösen Übungen und Betrachtungen,
die Nähe zu Gott. Vielfach wurden sie
auch von ihrem Kloster oder vom Bischof
in die Einsamkeit geschickt, um alte
Schriften auszuwerten und wiederzugeben. Wir
schreiben das Jahr 1173. Im Hunsrück
lebte der Raubritter Wolf. Er war wegen
seiner Grausamkeit weit und breit
verschrien. Und um ihn hatte sich eine
Schar wilder Gesellen angesammelt, die
ihrem Anführer an Brutalität nicht
nachstand.
Unweit von seiner Burg, in einer
Moselgemeinde, es könnte Neef gewesen
sein, lebte die sittsame und einfach
Bürgerin Clementine. Sie war dem
Edelmann Junker Claus von Ortingen
versprochen. Claus, der sich durch
Tapferkeit in Kriegen um sein Vaterland
hervorgetan hatte, sollte dafür mit dem
Ritterschlag belohnt werden. Diese
Auszeichnung wollte er am Tage der
Hochzeit geschehen lassen, um dem Fest
ein zusätzliches Gepräge zu geben.
Der so gefürchtete Wolf brach jedoch
wie ein Dieb in der Nacht in Clementines
Kammer ein, raubte sie und brachte die
Verzweifelte im wilden Ritt zu seiner
Burg. Halb tot vor Angst schleppte er das
arme Wesen zum Altar. Und obwohl kein
ja über dessen Lippen kam,
segnete der unselige Burgkaplan den Bund
auch noch ab.
Verzweifelt, jedoch vergeblich,
versuchte Claus während der folgenden
Monate sich der Geliebten zu nahen, um
mit ihr einen Plan der Flucht zu
besprechen. In der Dunkelheit schlich er
sich an die Burg heran. Diese ward jedoch
von allen Seiten mit Hütern bewacht. So
verhallten seine Seufzer nutzlos in der
Nacht.
Endlich führte ihn ein freundliches
Gestirn dem frommen Einsiedler Walther
zu, der in einer bescheidenen Eremitage
am Nordhang einer schroffen Felswand des
Hochkesselmassivs ein gottgefälliges
Leben führte. Von vielen Seiten
reichlich beschenkt, brauchte er jedoch
für sich selbst nichts weiter als Brot
und Kräuter, die er selbst sammelte.
Alles, was er übrig hatte, verteilte er
an notleidende Menschen, die zu ihm
hinpilgerten. Wo er nur konnte, half er.
Oft erschien er armen Gefangenen als
rettender Engel, löste ihre Ketten und
öffnete den Kerker. Seinen passenden
Worten und eingreifenden Reden vermochten
die Raubritter oder andere harten
Burgherren nicht zu widerstehen. Man
nannte ihn den guten Vater.
Er soll 150 Jahre alt geworden sein und
während der letzten 100 Jahre seines
Lebens nur der Fürsorge um andere gelebt
haben. Und mochten auch die Furchen
auf Stirn und Wange das hervorgerückte
Alter deuten, der Blick war noch frei und
hell, das Auge klar und rein, wie ein
wolkenloser Himmel so wird
er in einer Überlieferung beschrieben.
So stand Walther, dessen langer
weißer Bart fast bis zum Gürtel in
dünnen und zitternden Haaren herabfloss,
dem so verzweifelten Jüngling
gegenüber, der mit Tränen in den Augen
um Hilfe bat. Fasse Mut, Claus,
noch ist nichts verloren, noch nicht, ich
verschaffe Dir Deine Clementine wieder
Gott wird dann weiter
helfen. Da heiterten sich schnell
die Gesichtszüge des Jünglings auf ob
der Zuversicht, die geliebte Clementine
bald wieder an seine Brust drücken zu
können. Und nun drängte er den alten
Mann, zur Burg des Grausamen
aufzubrechen; denn jeder Augenblick
schien ihm Zeitverlust.
Was jedem anderen versagt war,
nämlich der Eintritt in die Burg, konnte
der Barbar dem guten Vater
nicht abschlagen. Ja sogar in Clementines
Gemächer konnte Walther vordringen und
Wolf wusste selbst nicht, welch geheime
Kräfte ihn so überwältigt hatten, um
all dies zuzulassen. Und was geschah nun?
- welch Wunder! - Walter kam mit der
befreiten Clementine zum Burgtor hinaus.
Da hast Du sie, Jüngling!
rief er dem überglücklichen
Claus zu und führte sie in seine Arme
aber schnell jetzt fort,
denn hier seid Ihr nicht sicher, kommt
mit in meine friedliche Klause. Morgen
setze ich Euch über die Mosel und ihr
könnt in die jenseitigen Eifelberge
flüchten.
Mitternacht war vorüber, als die drei
in die Eremitage traten und Walther sie
bat, sich auszuruhen. Aber bald trieb ihn
die Unruhe vor die Türe, und bebend vor
Angst trat er gleich wieder ein.
Ich höre draußen in der Ferne
Geräusche und glaube, dass es Wolf ist,
der Euch verfolgt. Leichenblass
sank Clementine auf ihr Strohlager
zurück. Aber Claus zog aus seinem Wams
einen Dolch, mit dem er nach der Gegend
hin drohte, von wo man Hufgeräusche
immer deutlicher vernehmen konnte.
Lass das befahl der
Greis damit hältst Du ihn
nicht zurück. Folgt mir jetzt, schnell,
dass wir den Strom erreichen, ehe er hier
ist. Mein Nachen bringt Euch an das
rettende Ufer.
Doch der Schreckliche war auf
schnaufenden Rossen mit seiner Horde
schon da. Halt schrie
er Clementine an, die zu Boden sank.
Wütend schwang er über ihrem Haupte das
lange Schwert, und es schien, dass er sie
damit durchbohren wolle. Doch es kam noch
schlimmer! Rachbrütend befahl er, die
beiden Liebenden aneinander zu binden,
den Jüngling zu blenden und beide vom
Felsen hinab in die Mosel zu wälzen.
Dann zündete er eine Pechfackel an und
steckte die Eremitage in Brand. Schon
bald schlugen die Flammen gespensterhaft
hoch und machten mit ihrer Helligkeit die
Nacht zum Tage.
Zitternd sah der Greis all die
Gräuel. Zitternd sah er auf das
Ungeheuer. Er fing an zu beten. Und noch
ehe es einer der Umstehenden erahnen
konnte, stürzte er in die brennende
Hütte und ward im Augenblick
verschwunden. So hauchte der fromme
Eremit im Qualm des Feuers seine Seele
aus. Als nun von selbst die Sterbeglocken
aus allen Dörfern und Flecken der ganzen
Umgebung erklangen und stundenlang nicht
aufhörten zu läuten, wurde Wolf und
dessen Gesellen von Ehrfurcht ergriffen.
Sie fielen auf die Knie nieder und
bereuten das Verbrechen. Nichts wurde
seither mehr von Wolf berichtet, keine
Untaten mehr aufgezeichnet. Dass er und
seine Mannen für immer bekehret waren,
kann vermutet werden.
Es wird überliefert, dass die Leiche
des frommen Eremiten noch am sechsten
Tage unverwesen war. Sie wurde im
Kreuzgang des Kloster Stuben, um das er
sich auch verdient gemacht hatte,
würdevoll beigesetzt.
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und
das Drama um die sittsame
Clementine |
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erschienen
in: |
Heimat
zwischen Hunsrück und Eifel,
Beilage der Rheinzeitung, Nr. 3,
März 2001 |
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Stich von einem
Eremiten |
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