Vor
wenigen Monaten wurde eine Nonne, eine
Frau von schon vorgerücktem Alter und,
wie man glaubte, von großer Helligkeit,
derart vom Laster der Traurigkeit
verwirrt, derart vom Geist der
Lästerung, des Zweifels und des
Misstrauens gepeinigt, dass sie in
Verzweiflung geriet. An allem, was sie
von Kindheit an glaubte und glauben
musste, begann sie zu zweifeln, und
niemand konnte sie bewegen, dass sie an
den heiligen Sakramenten teilnahm. Wenn
die Schwester oder auch ihre leibliche
Nichte sie fragte, warum sie so verstockt
sei, antwortete sie: Ich bin
verworfen, bin eine von denen, die
verdammt werden müssen. Eines
Tages sagte der Priester im Zorn zu ihr:
Schwester, wenn du nicht Vernunft
annimmst und diesen Unglauben abtust, so
werde ich dich nach deinem Tode auf dem
Felde begraben. Auf dieses Wort
schwieg sie damals, vergaß es aber
nicht. Als bald darauf einige
Schwestern, ich weiß nicht wohin gehen
sollten, schlich sie ihnen heimlich nach,
kam ans Ufer der Mosel, über der das
Kloster liegt, und als das Schiff, das
die Schwestern trug (Fähre von Stuben
nach Bremm), sich entfernt hatte,
stürzte sie sich vom Ufer in den Fluss.
Die im Schiffe waren, hörten das
Klatschen des Wassers und blickten sich
um, hielten aber ihren Körper für einen
Hund. Doch auf Gottes Wink wollte einer
genauer erkennen, was es sei; er lief
schnell hinzu, und da er einen Menschen
erblickte, sprang er in den Fluss und zog
sie heraus.
Als die dann erkannten, dass es jene
Nonne sei, die schon fast erstickt war,
erschraken sie alle. Sie bemühten sich
um sie, und als sie das Wasser
ausgespieen hatte und wieder sprechen
konnte, fragte sie: Warum hast du
so grausam gehandelt, Schwester?
Sie antwortete: Dieser Herr (indem
sie den Prior bezeichnete) hat mir
gedroht, er werde mich nach meinem Tode
auf dem Felde begraben lassen. Drum habe
ich vorgezogen, mich in diesen Schlund zu
stürzen, statt auf dem Felde
eingescharrt zu werden wie ein Vieh.
Darauf brachten sie sie nach dem Kloster
zurück und bewachten sie sorgsamer.
Sieh; welche Schlechtigkeit aus dem
Trübsinn entspringt. Diese Frau war von
Kindheit an im Kloster erzogen, eine
keusche, heilige, strenge, fromme
Jungfrau, und wie mir die Lehrerin des
benachbarten Klosters (Marienburg)
berichtet, sind alle von ihr erzogenen
Mädchen züchtiger, frömmer als all die
übrigen Jungfrauen. Doch hoffe ich, dass
Gott, der so sehr barmherzig ist, der auf
viele Weisen seine Auserwählten
versucht, der sie so gnädig aus dem
Flusse gerettet hat, ihren früheren
Anstrengungen gedenken und sie
schließlich nicht wird umkommen lassen.
Viele Beispiele des Trübsinns wären
noch zu berichten. Doch muss befürchtet
werden, dass dies Kranken nicht dienlich
ist, solches zu lesen oder zu hören.
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