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Von einer Nonne, die am Glauben zweifelte von Franz Josef Blümling
Vor wenigen Monaten wurde eine Nonne, eine Frau von schon vorgerücktem Alter und, wie man glaubte, von großer Helligkeit, derart vom Laster der Traurigkeit verwirrt, derart vom Geist der Lästerung, des Zweifels und des Misstrauens gepeinigt, dass sie in Verzweiflung geriet. An allem, was sie von Kindheit an glaubte und glauben musste, begann sie zu zweifeln, und niemand konnte sie bewegen, dass sie an den heiligen Sakramenten teilnahm. Wenn die Schwester oder auch ihre leibliche Nichte sie fragte, warum sie so verstockt sei, antwortete sie: „Ich bin verworfen, bin eine von denen, die verdammt werden müssen.“ Eines Tages sagte der Priester im Zorn zu ihr: „Schwester, wenn du nicht Vernunft annimmst und diesen Unglauben abtust, so werde ich dich nach deinem Tode auf dem Felde begraben.“ Auf dieses Wort schwieg sie damals, vergaß es aber nicht.

Als bald darauf einige Schwestern, ich weiß nicht wohin gehen sollten, schlich sie ihnen heimlich nach, kam ans Ufer der Mosel, über der das Kloster liegt, und als das Schiff, das die Schwestern trug (Fähre von Stuben nach Bremm), sich entfernt hatte, stürzte sie sich vom Ufer in den Fluss. Die im Schiffe waren, hörten das Klatschen des Wassers und blickten sich um, hielten aber ihren Körper für einen Hund. Doch auf Gottes Wink wollte einer genauer erkennen, was es sei; er lief schnell hinzu, und da er einen Menschen erblickte, sprang er in den Fluss und zog sie heraus.

Als die dann erkannten, dass es jene Nonne sei, die schon fast erstickt war, erschraken sie alle. Sie bemühten sich um sie, und als sie das Wasser ausgespieen hatte und wieder sprechen konnte, fragte sie: „Warum hast du so grausam gehandelt, Schwester?“ Sie antwortete: „Dieser Herr (indem sie den Prior bezeichnete) hat mir gedroht, er werde mich nach meinem Tode auf dem Felde begraben lassen. Drum habe ich vorgezogen, mich in diesen Schlund zu stürzen, statt auf dem Felde eingescharrt zu werden wie ein Vieh. Darauf brachten sie sie nach dem Kloster zurück und bewachten sie sorgsamer.

Sieh; welche Schlechtigkeit aus dem Trübsinn entspringt. Diese Frau war von Kindheit an im Kloster erzogen, eine keusche, heilige, strenge, fromme Jungfrau, und wie mir die Lehrerin des benachbarten Klosters (Marienburg) berichtet, sind alle von ihr erzogenen Mädchen züchtiger, frömmer als all die übrigen Jungfrauen. Doch hoffe ich, dass Gott, der so sehr barmherzig ist, der auf viele Weisen seine Auserwählten versucht, der sie so gnädig aus dem Flusse gerettet hat, ihren früheren Anstrengungen gedenken und sie schließlich nicht wird umkommen lassen.

Viele Beispiele des Trübsinns wären noch zu berichten. Doch muss befürchtet werden, dass dies Kranken nicht dienlich ist, solches zu lesen oder zu hören.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Literaturnachweise:
  Herles, Helmut - Von Geschehnissen und Wundern des Caesarius von Heisterbach
Bildnachweise:
   
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